Kernverschmelzung: Warum die Sonne scheint

Im 19. Jahrhundert begann man mit einem größeren wissenschaftlichen Hintergrundwissen Spekulationen anzustellen. Julius Robert Mayer (1814 – 1878) vermutete, dass Meteore oder Meteoriten für die Hitze auf der Sonne verantwortlich waren. Hermann von Helmholtz (1821 – 1894) und später der als Lord Kelvin bekannte William Thomson (1824 – 1907) glaubten, dass die enorme Schwerkraft für die Aufheizung des Riesenkörpers verantwortlich war. Der Physiker Hans Albrecht Bethe (1906 – 2005) lieferte 1939 die richtige Erklärung für die Energieerzeugung in der Sonne und bekam 1967 den Nobelpreis dafür: Die Ursache ist eine Fusion von Atomkernen.

Allerdings dauerte es noch eine Zeit lang, bis sich diese wissenschaftliche Erkenntnis in der breiteren Bevölkerung durchsetzte. Dem Autor dieses Artikels wurde in der Schule noch erzählt, die Sonne sei „wie ein riesiger Kohlehaufen“. (Was nicht unbedingt für ein hohes Alter des Verfassers spricht, sondern eher mit der mangelnden Bildung mancher Lehrer zusammenhängt.)

Foto der Sonne mit Sonnenprotuberanzen
Die Sonne ist ein Ball aus Plasma. In seinem Kern erreicht die Temperatur 15 Millionen Grad Celsius. Auf der Oberfläche sind es dagegen nur etwa 5600 Grad Celsius. (Bild: NASA)

Die Ausgangssituation

Die Gravitation spielt jedoch auch eine Rolle. Nach dem Urknall waren zunächst die einzigen Elemente im Universum Wasserstoff und Helium. Wasserstoff ist das einfachste aller Elemente. Ein Wasserstoffatom besteht nur aus einem Proton im Inneren und einem Elektron, das um den Kern kreist. Ein Heliumkern setzt sich aus zwei Protonen und zwei Neutronen zusammen, und zwei Elektronen umkreisen ihn. Die Gravitation sorgte dafür, dass sich die Materie im Universum zusammenzog und Sterne, Planeten und andere Körper bildete. Die Sonne besteht ungefähr zu drei Viertel aus Wasserstoff und etwa ein Viertel aus Helium. Die paar Prozent schwerere Elemente, die ebenfalls vorhanden sind, wurden ursprünglich in massereicheren Sternen erzeugt und durch Supernovae im Weltraum verteilt.

Grafische Darstellung eines Helium- und eines Wasserstoffatoms
Das Wasserstoffatom (links) besteht nur aus einem Proton und einem Elektron, das den Kern umkreist. Im Kern des Heliumatoms (rechts) befinden sich zwei Protonen (blau) und zwei Neutronen (gelb). Zwei Elektronen bilden die Schale des Atoms. (Bild: A. Mößmer)

Im Sonneninneren erfahren die Atome eine Veränderung: Die Hitze und der Druck führen dazu, dass sich die Atomkerne und Elektronen trennen und unabhängig voneinander herumschwirren. Dieser Zustand der Materie wird als Plasma bezeichnet. Dieses Plasma ist so heiß, dass die energiereichsten geladenen Teilchen der Schwerkraft der Sonne entweichen und in den Weltraum fliegen können. Man bezeichnet diesen Plasmastrom als „Sonnenwind“, weil er von der Sonne wegführt und mit den Magnetfeldern und Atmosphären der Planeten interagiert.

Grafische Darstellung von Plasma in der Sonne
In einem Plasma sind die Atomkerne und die Elektronen nicht aneinander gebunden. (Bild: A. Mößmer)

Protonenfusion

In dem Sonnenplasma geschieht es ab und zu, dass zwei Wasserstoffprotonen – das heißt einzelne Protonen – zusammenstoßen und sich vereinigen. Bei dieser Fusion entsteht ein neuer Wasserstoffkern, der aus einem Proton und einem Neutron besteht – Deuterium genannt. Möglicherweise spielt dabei als Zwischenstufe ein sogenanntes Diproton (auch Helium-2 genannt) eine Rolle. Dieses Teilchen setzt sich aus zwei Protonen zusammen, ist jedoch sehr instabil und zerfällt meist wieder in zwei einzelne Protonen. Auf jeden Fall hat das Entstehen des Deuteriums zur Folge, dass sich ein Proton in ein Neutron umwandelt und dabei ein Positron (ein Elektron mit positiver Ladung) sowie ein Neutrino (ein neutrales kleines Teilchen) entstehen und davonfliegen.

Darstellung der Verschmelzung von Protonen
Zwei Protonen (links, blau) verschmelzen miteinander (Mitte). Das Ergebnis ist ein Kern mit einem Proton und einen Neutron (rechts). Ein Neutrino (oben, gelb) und ein Positron (unten, blau) entweichen. (Bild: A. Mößmer)

Neues Helium

Ein weiterer Schritt der Fusion im Sonneninneren ist die Verschmelzung eines Deuteriumkerns mit einem Proton. Das daraus resultierende Gebilde – Helium-3 genannt – besteht folglich aus zwei Protonen und einem Neutron. Bei der Fusion wird ein Gammaquant (ein Lichtteilchen mit sehr hoher Energie) abgegeben.

Darstellung der Fusion zu Helium-3
Beim Entstehen von Helium-3 fusionieren ein Proton (links oben) und ein Deuterium-Kern (links unten) zu einem Kern mit zwei Protonen und einem Neutron (rechts). Dabei wir ein Gammaquant abgegeben (hier mit dem griechischen Buchstaben γ eingezeichnet). (Bild: A. Mößmer)

Dieses Helium-3 kann nun mit anderem Helium-3 fusionieren. Dabei gehen jeweils zwei Protonen verloren, sodass die daraus resultierenden Kerne aus zwei Protonen und zwei Neutronen bestehen. Beim Ergebnis der Verschmelzung handelt es sich um Helium-4.

Darstellung der Fustion zu Helium-4
Zwei Helium-3-Kerne (links) können zu einem Helium-4-Kern (rechts) verschmelzen. Dabei werden zwei Protonen abgegeben. (Bild: A. Mößmer)

Über einen Umweg kann eine weitere Helium-4-Erzeugung stattfinden. Dabei verbindet sich ein Helium-3-Kern mit einem bereits existierenden Helium-4-Kern zu einem Beryllium-7-Kern (vier Protonen und drei Neutronen) und gibt dabei ein Gammaquant ab. Dieser Kern nimmt ein Elektron auf und zerfällt zu Lithium-7 (drei Protonen und vier Neutronen), wobei ein Neutrino davonfliegt. Das Lithium-7 kann wiederum mit einem freien Proton fusionieren und sich dadurch zu Beryllium-8 (vier Protonen und vier Neutronen) verwandeln. Der Zerfall eines Beryllium-8-Kerns führt dann zu zwei Helium-4-Kernen.

Darstellung der Verschmelzung von Helium-3 und Helium-4 zu Beryllium
Ein Helium-3-Kern (links oben) und ein Helium-4-Kern (links unten) verschmelzen zu einem Beryllium-Kern mit drei Protonen und vier Neutronen (Mitte). Dabei wird ein Gammaquant abgegeben. Das Betyllium-7 nimmt wiederum ein Elektron auf und gibt ein Neutrino ab. Das Ergebnis ist ein Lithium-7-Kern mit vier Protonen und drei Neutronen (rechts). (Bild: A. Mößmer)
Darstellung der Verschmelzung zu Beryllium-8
Ein Lithium-7-Kern (links oben) kann sich mit einem freien Proton (links unten) vereinigen. Daraus entsteht ein Beryllium-8-Kern, der in zwei Helium-4-Kerne zerfällt (rechts). (Bild: A. Mößmer)

Es gibt noch weitere Fusionsketten, die seltener als die hier beschriebenen sind.

Woher kommt nun das Sonnenlicht?

Von den Teilchen, die bei den Verschmelzungsvorgängen in der Sonne ausgestoßen werden, erreichen nur Neutrinos die Erde direkt. Die Neutrinos zeichnen dadurch aus, dass sie eine sehr kleine Masse besitzen und kaum mit der anderen Materie wechselwirken. Dadurch ist es ihnen ein Leichtes, der Sonne zu entkommen.

Die anderen Teilchen müssen sich dagegen durch die Plasmaschichten der Sonne kämpfen, was nicht nur lange dauert, sondern auch die Teilchen selbst verändert. Ein Positron (positive Ladung) und ein Elektron (negative Ladung) können sich gegenseitig auslöschen und dabei Gammastrahlen erzeugen. Gammastrahlen verwandeln sich wiederum durch die Kollision mit anderen Teilchen in Photonen mit niedrigerer Energie, bevor sie die Sonnenoberfläche erreichen und in den Weltraum emittiert werden. Die Sonne strahlt deswegen keine Gammastrahlen aus – außer durch Sonneneruptionen. Das Resultat der Energie und Hitze, die im Inneren durch die Fusionsvorgänge erzeugt werden, ist die Strahlung der Sonne in Form von Röntgenstrahlen, ultraviolettem und sichtbarem Licht, Infrarot- und Radiowellen.

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Besuch beim Nachbarn: Ein zweites Rennen zum Mond?

Am 14 Dezember 1972 hob die Mondlandefähre Challenger von der Oberfläche des Erdtrabanten ab, um an die Apollo-17-Kapsel anzukoppeln und die Rückreise zur Erde anzutreten. Dies war die letzte bemannte Mondmission der NASA. Eugene Cernan, der Kommandant der Mission, hatte vor dem Zünden der Triebwerke noch die geschichtsträchtigen Worte geäußert: „Wir gehen, wie wir gekommen sind und, so Gott will, wie wir zurückkehren werden: mit Frieden und Hoffnung für die ganze Menschheit.“

Bild des Mondfahrzeugs der Apollo-17-Mission mit Eugene A. Cernan am Steuer
Bildtext: Eugene A. Cernan, der Kommandant der Apollo-17-Mission, am Steuer des Mondfahrzeugs. (Bild: NASA)

Die Rückkehr zum Mond sollte jedoch auf sich warten lassen. Von den ursprünglich geplanten zehn bemannten Landungen waren die letzten drei gestrichen worden. Die Gründe dafür waren unter anderem Budget-Kürzungen bei der NASA, und außerdem war das ursprüngliche Ziel, nämlich das Rennen zum Mond gegen die Sowjetunion zu gewinnen, erreicht worden. Zwölf amerikanische Astronauten hatten die Oberfläche des Erdtrabanten betreten. Sie hatten 382 Kilogramm Sand, Steine und Staub mit zur Erde gebracht. Die wissenschaftliche Ausbeute war enorm.

Das erste Rennen zum Mond

Obwohl das Apollo-Programm einen großen wissenschaftlichen Nutzen abwarf, war die ursprüngliche Motivation für das Engagement die Herausforderung durch die Sowjetunion gewesen. Der erste Start eines sowjetischen Satelliten in die Erdumlaufbahn 1957 hatte im Westen den Sputnik-Schock ausgelöst – die Erkenntnis, dass der Ostblock den USA in der Raketentechnik überlegen war.

1962 erklärte der amerikanische Präsident John F. Kennedy:

„Wir wollen zum Mond gehen und die anderen Dinge tun, nicht weil sie einfach sind, sondern weil sie schwierig sind, weil dieses Ziel dazu dient, unsere Energien und Fähigkeiten zu organisieren und zu erfassen, weil dies eine Herausforderung ist, die wir bereit sind zu akzeptieren, die wir nicht bereit sind aufzuschieben und die wir gewinnen wollen …“ (Quelle: https://er.jsc.nasa.gov/seh/ricetalk.htm)

Das Ziel bestand darin, innerhalb eines Jahrzehnts einen Menschen zum Mond zu schicken. Kennedy starb zwar nur 14 Monate nach dieser Rede bei einem Attentat, aber das Apollo-Programm wurde weitergeführt, und am 20. Juli 1969 landete zum ersten Mal ein bemanntes Raumfahrzeug auf dem Mond. Allerdings erlosch nach und nach das Interesse derjenigen, die für die Finanzierung des Unternehmens verantwortlich waren, nämlich der US-Regierung und des Repräsentantenhauses. 1965 hatte die NASA noch einen Anteil von vier Prozent am Staatshaushalt erhalten. Danach regierte der Rotstift. Heute bekommt die amerikanische Raumfahrtbehörde ungefähr 0,4 Prozent vom Budgets der Regierung.

An die Stelle des Erdtrabanten traten in den 1970er-Jahren andere Ziele, die mit den knappen Mitteln erreicht werden sollten: eine wiederverwendbare Raumfähre, eine Raumstation, Weltraumteleskope, Sonden zu anderen Planeten. Vor allem der Mars, auf dem vielleicht einst Wasser floss und der möglicherweise immer noch Leben beherbergt, war wissenschaftlich interessanter als der tote Mond.

Erneutes Interesse am Mond

Zwar ging 1973 die amerikanische Sonde Explorer 49 in eine Umlaufbahn um den Mond, aber in den gesamten 1980er-Jahren erreichte kein einziges Raumfahrzeug das Nachbargestirn der Erde. Erst 1990 kam wieder eine Mission, die japanische Sonde Hiten, am Mond an. 1994, mehr als 20 Jahre nach der letzten Mondmission der NASA, flog zum ersten Mal wieder ein amerikanisches Raumfahrzeug den Erdbegleiter an: die Sonde Clementine. Die Hinweise auf Wassereis am Südpol hatten zur Folge, dass die NASA 1998 die Lunar Prospector in eine Umlaufbahn um den Trabanten schickte.

Aber für wirkliches Aufsehen sorgte die aufstrebende Wirtschaftsmacht und Raumfahrtnation China, die 2007 die Sonde Chang‘e 1 in eine Umlaufbahn um den Mond schickte, um dessen Oberfläche zu kartografieren. Die chinesische Mission löste zwar keinen zweiten Sputnik-Schock aus, aber es war offensichtlich, dass das Reiche der Mitte beabsichtigte, in Zukunft auch im Weltraum eine zentrale Rolle zu spielen. Chang‘e 1 war nur der erste Schritt eines ambitionierten Mondprogramms. Am 14. Dezember 2013 setzte die Sonde Change‘e 3 auf der Oberfläche auf. Mit Chang‘e 4 landete am 3. Januar 2019 zum ersten Mal eine Sonde auf der erdabgewandten Seite des Mondes. Zu den mittelfristigen Zielen der chinesischen Raumfahrtorganisation gehört sogar eine Forschungsstation auf dem Mond.

Mitglied des Clubs der Länder, die mit Raumfahrzeugen den Mond erreicht haben, ist seit 2008 auch Indien. Die indische Sonde Chandrayaan-1 ging am 8. November dieses Jahres in eine Mondumlaufbahn und setzte sechs Tage später eine Tochtersonde ab, die planmäßig auf der Oberfläche einschlug. Eine weitere indische Sonde, Chandrayaan-2, erreichte den Mond am 20. August 2019.

Selbst Russland möchte ab 2021 wieder eine Rolle auf dem Mond spielen. 45 Jahre nachdem die sowjetische Sonde, Luna 24, gelandet war, soll Luna 25 auf dem Erdbegleiter niedergehen.

Die japanische Raumfahrtagentur JAXA möchte 2022 eine punktgenaue Landung auf dem Mond demonstrieren.

Das Mondlandemodul von JAXA
Die japanische Raumfahrtagentur JAXA entwickelt Konzepte für eine dauerhafte Präsenz auf dem Mond. (Bild: JAXA)

Apollos Schwester

Die Antwort der USA auf die Herausforderung durch die Sowjetunion war das Apollo-Programm gewesen. Artemis heißt das Programm, mit dem die NASA auf die neuen Konkurrenz im Weltraum reagieren möchte. In der griechischen Mythologie ist die Göttin Artemis die Schwester Apollos. Der Name ist Programm, denn bis 2024 soll die erste Frau auf dem Mond landen. Dazu werden innovative Technologien eingesetzt, um die Mondoberfläche zu erkunden. Diese Ziele sollen durch die Zusammenarbeit mit kommerziellen und internationalen Partnern erreicht werden. „Wenn wir dieses Mal zum Mond fliegen, werden wir bleiben“, hatte Jim Bridenstine, der Administrator der NASA, verkündet. Die wachsende Anzahl der Konkurrenten im Weltraum könnte das US-Repräsentantenhaus sogar dazu bewegen, für die Finanzierung zu sorgen.

Mondgeruch: Die Problematik des Feinstaubs

Eine überraschende Sache für die Astronauten, die den Mond besuchten, war der starke Geruch des Mondstaubs (auch Regolith genannt). Während die Astronauten in ihren Raumanzügen Experimente auf der Mondoberfläche durchführten, sammelte sich der Mondstaub in den Falten des Anzugs. Als sie in die Landefähre zurückkehrten und ihre Helme abnahmen, ließ sich der Staub an ihren Händen und in ihren Gesichtern nieder. Nachdem die vier Milliarden Jahre alten Kleinstpartikel in der Mondlandefähre zum ersten Mal mit Sauerstoff in Berührung kamen, entwickelten sie einen stechenden Geruch. Neil Armstrong beschrieb den Geruch des Staubes als vergleichbar mit feuchter Asche in einem Kamin. Andere erinnerte er an Schießpulver.

Der Regolith bildet sich auf den Oberflächen von Gesteinskörpern (Planeten, Monde und Asteroiden), die nicht durch eine Atmosphäre geschützt sind. Dieser Vorgang wird als „Weltraumverwitterung“ bezeichnet. Anders als auf der Erde, wo gewöhnlich Wasser bei der Verwitterung eine Rolle spielt, sind bei der Weltraumerosion das Bombardement durch Mikrometeoriten, kostmische Strahlung und extreme Temperaturen dafür verantwortlich, dass sich kleine Teile aus dem Gestein lösen. Da es an Wind und Regen fehlt, bleiben die Partikel als eine Staubschicht liegen.

Bild der Mondoberfläche mit der Spur des Mondfahrzeugs im feinen Staub.
Das Mondfahrzeug der Apollo-14-Mission hinterließ seine Spur in der feinen Staubschicht, die den Mond überzieht. (Bild: NASA)

Bei einem längeren Aufenthalt auf dem Mond kann sich der Regolith als ernsthaftes Problem erweisen. Wegen ihrer elektrostatischen Aufladung haben die Teilchen die problematische Eigenschaft, an Flächen zu haften. Außerdem können sie wegen ihrer mikroskopischen Größe in Geräte und die Lungen der Raumfahrer eindringen.

Es gibt Anzeichen für eine Art dünner „Staubatmosphäre“ des Mondes, die aus kleinen Teilchen besteht, die von der Oberfläche hochspringen und wieder zurückfallen. Dabei handelt es sich um einen Effekt, den bereits 1956 der Science-Fiction-Autor Hal Clement in der Kurzgeschichte „Dust Rag“ beschrieb.

Nützlicher Staub

Der Regolith auf den Gesteinskörpern stellt aber nicht nur eine Herausforderung dar, er kann für zukünftige Missionen auch nützlich sein. Europäische Wissenschaftler experimentierten mit ähnlichem irdischen Feinstaub. Es gelang ihnen mit Hilfe der 3D-Druck-Technik, daraus Backsteine zu formen – Baumaterial für künftige Mondstationen. Außerdem arbeitet die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) an einer technischen Einrichtung, um dem Mondstaub Sauerstoff zu entziehen. Etwa 40 bis 45 Prozent des Regolithgewichts ist auf Sauerstoff zurückzuführen. Die Technik ist jedoch nicht einfach, da der Sauerstoff chemisch als Oxide in Form von Mineralien oder Glas gebunden ist. Zum Extrahieren ist deshalb eine komplizierte Chemie nötig. Falls die nötigen Techniken gemeistert werden, kann sich der Regolith in Zukunft als eine wichtige Hilfe bei der Errichtung von Stützpunkten auf anderen Himmelskörpern erweisen.

Kosmische Immobilien: Wem gehört der Weltraum?

„Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschheit und ihre Kolonien im Weltraum.“ So hieß es im Vorspann der 1966 ausgestrahlten Fernsehserie „Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion“. In anderen Science-Fiction-Filmen und Erzählungen ist es ebenfalls oft eine vereinte Menschheit, die den Weltraum erobert. Viele Autoren im Goldenen Zeitalter der Science-Fiction optimistisch in die Zukunft. Sie sahen nicht nur einen technischen Fortschritt voraus, sondern auch eine rationalere Zeit, in der die Menschheit ihre Spaltungen, Feindschaften, Vorurteile und Ideologien überwunden hat. Ein Beispiel dafür ist die von Gene Roddenberry geschaffene Star-Trek-Serie, in der die Enterprise im Auftrag einer planetaren Föderation durch die Weiten des Universums fliegt, und auch die Autoren der Perry-Rhodan-Romanserie nahmen eine terranische Union als Voraussetzung für den Erfolg der Menschen im All an.

Zögerliche Kooperationen

Es gab tatsächlich Anlass zur Hoffnung. Trotz des Kalten Krieges fand 1975 ein Apollo-Sojus-Testprojekt statt, bei dem ein Apollo- und ein Sojus-Raumschiff in der Erdumlaufbahn aneinander ankoppelten. Die Planetary Society organisierte 1987 eine Konferenz mit sowjetischen Wissenschaftlern mittels einer Satellitenverbindung. Dabei ging es unter anderem um eine gemeinsame Mission der USA und der UdSSR zum Mars. Eine verstärkte Kooperation war nach dem Ende des Eisernen Vorhangs möglich. Die Internationale Raumstation ist der bisherige Höhepunkt der internationalen Zusammenarbeit in der Raumfahrt. Neben der NASA und der ESA sind auch die Raumfahrtorganisationen Japans, Kanadas und Russlands an dem Unternehmen beteiligt. Allerdings ist die aufstrebende Raumfahrtnation China nach wie vor davon ausgeschlossen.

Aber diese Formen der Kooperation sind weit von dem entfernt, was sich frühere Visionäre erträumten. Bis heute ist die Erde in fast 200 Herrschaftsgebiete aufgeteilt, und längst tot geglaubte Dämonen der Vergangenheit, wie Nationalismus und religiöser Extremismus, sind wieder zum Leben erwacht. Die Gefahr der Selbstzerstörung mit Atomwaffen schwebt weiterhin wie ein Damoklesschwert über den Erdbewohnern.

Hoheitsansprüche

Auf der Erde unterliegt jeder Quadratkilometer Festland – von der Antarktis abgesehen – den Hoheitsansprüchen irgendeines Staates. Anders sind die Verhältnisse auf anderen Himmelskörpern, wo die Eigentumsverhältnisse von keiner staatlichen Gewalt geregelt werden und es vorerst keine Möglichkeit besteht, ein Stück Land oder einen Teil eines Asteroiden für sich zu beanspruchen und diesen Anspruch durch die Rechtsprechung zu verteidigen.

Im „Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper“, den die meisten Staaten der Welt unterzeichnet haben, heißt es in Artikel 2: „Der Weltraum einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper unterliegt keiner nationalen Aneignung durch Beanspruchung der Hoheitsgewalt, durch Benutzung oder Okkupation oder durch andere Mittel.“ Als die Astronauten der Apollo 11 die amerikanische Fahne auf dem Mond platzierten, wurde betont, dass damit kein Hoheitsanspruch verbunden sei.

Claims im All

Solange nur Forschungsmissionen auf anderen Himmelskörpern landeten, stellten unsichere Eigentumsverhältnisse kein Problem dar. Sollten sich aber die Pläne mancher Weltraumpioniere verwirklichen lassen, könnten tatsächlich Konflikte im Weltraum entstehen. 2015 verabschiedete der amerikanische Kongress ein Gesetz, das den Bergbau im Weltraum legalisierte. Man dachte dabei vor allem an den Abbau wertvoller Metalle auf Asteroiden. Als zweites Land erließ Luxemburg 2017 rechtliche Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Nutzung des Weltraums. „Das Ziel ist nicht die Erforschung des Weltraums, sondern die Nutzung des Weltraums“, erklärte Vizepremier-, Wirtschafts- und Gesundheitsminister Etienne Schneider (Quelle: „Luxembourg‘s innovation is out of this world“, Scientific American Custom Media, May 15, 2017, page 2). Das Großherzogtum mag zwar auf der Erde vergleichsweise klein sein, bei der wirtschaftlichen Erschließung des Weltraums möchte es jedoch eine große Rolle spielen. Etwa 30 Unternehmen der Raumfahrtbranche sind in dem nur knapp 614000 Einwohner zählenden Land ansässig.

Vorerst sind es nur hochfliegende Pläne, die sich den kommerziellen Möglichkeiten jenseits der Kármán-Linie widmen. Sollten aber einmal tatsächlich Raumschiffe auf der Suche nach wertvollen Rohstoffen auf dem Mond oder auf Asteroiden landen, könnten sie dadurch gewichtige Fragen aufwerfen. Was würde geschehen, wenn Prospektoren verschiedener Länder den gleichen Asteroiden ins Auge fassten? Wie weit dürfte man sich der Mondbasis eines anderen Staates nähern? Was wären die Konsequenzen, wenn es einigen Visionären tatsächlich gelänge, den Mars zu besiedeln und dessen Umwelt gar durch Terraforming zu verändern?

In der Science-Fiction begegnen Raumfahrer oft Gefahren, die extraterrestrischer Natur sind. In der Realität des 21. Jahrhunderts kann es geschehen, dass irdische Konflikte im Weltraum fortgesetzt werden.


Die Menschheit ist auch im Raumfahrtzeitalter zersplittert wie ehedem. Seltene Rohstoffe können in Zukunft den Bergbau im Weltraum interessant machen. Aber was würde geschehen, wenn mehrere Staaten den gleichen Asteroiden für sich beanspruchten? (Bild des Asteroiden: NASA, Gesamtbild: A. Mößmer)

Venus (Teil 3): Leben auf dem zweiten Planeten

Die Venusbewohner, meinte der französische Gelehrte Bernard le Bovier de Fontenelle (1657 – 1757), „ähneln den Mooren von Grenada: ein kleines schwarzes Volk, von der Sonne verbrannt, voll Geist und Feuer, immer verliebt, Verse schmiedend, die Musik liebend, immerzu Feste, Tänze und Turniere erfindend“ (Entretiens sur la pluralité des mondes, Seite 108 in der Ausgabe von 1766).

Bevor man wirklich über die Verhältnisse auf dem zweiten des Planeten des Sonnensystems Bescheid wusste, spekulierten spekulierten Gelehrte, Astronomen und Verfasser fantastischer Geschichten über das Leben auf dem Nachbarplaneten der Erde. Heute weiß man, dass zumindest auf der glühend heißen Oberfläche kein Leben existiert. Aber war das immer so?

Die Venus entstand vor etwa 4,5 Milliarden Jahren – zur gleichen Zeit wie die Erde. Die Sonne schien damals noch schwächer, und die Venus entwickelte sich in der Frühzeit wahrscheinlich wie ihre Schwester, die Erde. Auf der Erde sind die ersten nachweisbaren Mikroorganismen 3,465 Milliarden Jahre alt. Aber wahrscheinlich erschien das Leben auf dem blauen Planeten noch früher, nämlich kurz nachdem sich die Ozeane vor 4,4 Milliarden Jahren gebildet hatten. Es ist anzunehmen, dass der zweite Planet des Sonnensystems in seiner Frühzeit ebenfalls Ozeane besaß – und möglicherweise auch Leben.

Deuterium und Wasserstoff

Das einstige Vorhandensein von Wasser auf der Venus ist nicht reine Spekulation. Es gibt sogar einen Hinweis dafür. 1978 erreichte die NASA-Sonde Pioneer-Venus 2 den Nachbarplaneten der Erde und tauchte gemeinsam mit drei Tochtersonden in die Lufthülle ein, um die Atmosphäre zu analysieren. Eines der überraschenden Ergebnisse war, dass das Verhältnis von Deuterium- zu Wasserstoffatomen 100-mal größer war als auf der Erde. Zur Erinnerung: Während ein Wasserstoffatom nur ein Proton hat, besteht der Deuteriumkern aus einem Proton und einem Neutron. Deuterium wird deshalb auch „Schwerer Wasserstoff“ genannt. Auf der Erde kommen auf jedes Deuteriumatom ungefähr 10000 Wasserstoffatome. Man kann davon ausgehen, dass auf der Venus ursprünglich diese Atome im gleichen Verhältnis vorhanden waren. Aber von dem „leichteren“ Wasserstoff verschwand mehr in den Weltraum als von dem „schwereren“ Deuterium. Deshalb kommen heute auf ein Deuteriumatom 100 Wasserstoffatome.

Langsamer oder plötzlicher Wandel

Die Venus verlor wahrscheinlich 99,9 Prozent des Wassers, das sich einst auf dem Planeten befand. Wie konnte das geschehen?

Eines der Modelle geht von einem graduellen Wandel aus. Da sich der zweite Planet näher an der Sonne befindet, erwärmt er sich stärker und mehr Wasser gelangt in die Atmosphäre. Mit dem Verdunsten des Wassers verschwindet das Schmiermittel für die Plattentektonik, und damit kommt auch ein Mechanismus zu Stillstand, der Kohlenstoff von der Oberfläche ins Planeteninnere transportierte. Die Folge ist ein Treibhauseffekt, der den Planeten in eine heiße, ausgetrocknete, lebensfeindliche Welt verwandelt.

grafische Darstellung der habitablen Zone im Sonnensystem

„Habitable Zone“ oder „bewohnbare Zone“, im Englischen auch „Goldilock Zone“ genannt, bezeichnet den Bereich, in dem sich die Umlaufbahn eines Planeten befinden muss, damit Wasser dauerhaft im flüssigen Zustand bleiben kann (im Bild blau eingzeichnet). Flüssiges Wasser wird als Voraussetzung für die Existenz von Leben angesehen. Über die Grenzen dieser habitablen Zone sind sich die Wissenschaftler nicht einig. Die Venus scheint sich am inneren Rand oder außerhalb des inneren Randes zu befinden. Dies muss jedoch nicht immer so gewesen sein, da die Sonne anfangs schwächer war und deshalb Wasser bei einem geringeren Abstand zum Zentralgestirn flüssig bleiben konnte. Der Mars ist dagegen jenseits der bewohnbaren Zone. Wasser würde auf der Oberfläche sofort gefrieren. (Bild: A. Mößmer)

Manche Wissenschaftler sind jedoch der Meinung, dass die Venus Milliarden von Jahren lang Wasser behielt und möglicherweise ebenso lange Leben beherbergte. Nach diesem Modell kam es erst vor etwa 700 Millionen Jahren zu einem Ereignis, das die Oberfläche veränderte und zu einem Treibhauseffekt führte. Im September 2019 präsentierten Michael Way und Anthony Del Genio vom NASA Goddard Institute for Space Studies (GISS) anlässlich eines Treffens von Planetologen in der Schweiz die Ergebnisse von fünf Simulationen. In den fünf Szenarien wurden unterschiedliche Tiefen der Venusozeane angenommen. In allen Fällen blieb die Temperatur drei Milliarden Jahre lang im Bereich von 20 bis 50 Grad Celsius – genügend Zeit für die Entwicklung von Leben.

In luftiger Höhe

Auf der Oberfläche mögen alle Spuren von Leben unter den Lavamassen begraben sein. Aber vielleicht existieren noch Überreste einst blühenden Lebens unter weniger extremen Bedingungen weiter oben in der Atmosphäre. Die Zeitschrift Astrobiology veröffentlichte im September 1918 eine Studie, die sich mit dieser Möglichkeit beschäftigt. In einer Höhe von 47,5 – 50,5 Kilometern entspricht der Luftdruck etwa dem auf der Erdoberfläche, und die Temperatur beträgt ungefähr 60 Grad Celsius, was für manche extremophile Mikroorganismen durchaus eine angenehme Umgebung sein könnte.

Tatsächlich beobachtete man bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Venus-Atmosphäre dunkle Flecken, die sich im Laufe der Zeit in Form, Größe und Position veränderten, aber niemals ganz verschwanden. Heute glaubt man, dass sie hauptsächlich aus Partikeln bestehen. Diese Teilchen kommen die der Größe irdischen Bakterien sehr nahe. Darüber hinaus stimmen die Lichtspektren der venusianischen Partikel nach Meinung mancher Forscher eng mit den Spektren bekannter Bakterien überein.

Allerdings sollte man solche Spekulationen mit Vorsicht genießen. Noch in den 1960er-Jahren meinten manche Forscher, dass dunkle Gebiete auf dem Mars, die mit dem Wechsel der Jahreszeiten ihre Farbtönung änderten, von Pflanzenwuchs zeugten. Klarheit über Leben in den Venuswolken kann man nur durch eine genauere Analyse der Atmosphäre erlangen.

Das Konzept einer Sonde, die genau diese Aufgabe erfüllen soll, haben die Firmen Northrop Grumman und L‘Garde entwickelt. Das teilweise aufblasbare Flugobjekt heißt „Venus Atmospheric Maneuverable Platform“ („Venus Atmosphärische Manövrierbare Plattform“, kurz VAMP). Es hat die Form eines Deltaflügels und verfügt über elektrisch angetriebene Propeller. In der vorgesehenen Höhe kann VAMP längere Zeit als die bisherigen Sonden überleben, die Atmosphäre analysieren und die Daten zur Erde funken.

Sollte die VAMP-Mission wirklich durchgeführt werden, könnte sie zur Entdeckung von außerirdischen Mikroben führen, oder die Hoffnung auf Leben auf dem Schwesterplaneten der Erde endgültig begraben.

Venus (Teil 2): Das Innenleben eines Planeten

Auf der Erde ist die Bewegung der Kontinentalplatten größtenteils für den Vulkanismus verantwortlich. Lavaströme dringen nach oben und bauen eine neue Erdkruste durch die seitliche Bewegung der Platten horizontal auf. Auf der Venus scheint es aber keine Plattentektonik zu geben. Ohne eine solche Bewegung muss ein senkrechter Aufbau für die relativ neue Oberfläche verantwortlich sein. Auf dem Nachbarplaneten der Erde verdickt sich die Kruste wahrscheinlich oben durch Vulkanismus und unten durch langsam abkühlende Magmastauseen. Dieser Prozess bildet eine dicke und entsprechend starke Basaltkruste, die mit der Zeit stärker wird. Eine solche Kruste widersteht Verformungen, selbst wenn der Venusmantel unter der Kruste fließt und zirkuliert. Ohne eine Verformung kann keine Plattentektonik einsetzen, und die Hitze kann nirgendwo entweichen. Sie steigt, und der überhitzte Mantel beginnt zu schmelzen. Falls keine Wärme freigesetzt wird, können große Teile des Mantels relativ schnell schmelzen und ein massives Magmareservoir an der Krusten-Mantel-Grenze erzeugen, was dann zu einem Ausbruch führt. Nach diesem katastrophalen Ereignis kühlt sich die Oberfläche wieder langsam ab. Nicht alle Forscher sind von diesem hypothetischen Szenarium überzeugt. Manche nehmen eine weniger dramatische, dafür aber konstantere Erneuerung der Kruste an.

Über 1000 große vulkanische Gebiete sind auf der Venus bekannt. Der Wheatley-Krater in diesem Bild hat einen Durchmesser von 72 Kilometern. Zu sehen sind auch dünne, gewundene Kanäle, die von Lavaströmen erzeugt wurden. Sie können sich über Hunderte von Kilometern erstrecken. (Bild: NASA)

Kerndaten

Wegen der dichten Wolken ist es schwierig, die Oberfläche der Venus zu beobachten. Noch schwieriger ist es, etwas über das Innere des Nachbarplaneten zu erfahren.

Auf der Erde erlangen Wissenschaftler Erkenntnisse über den Kern des Planeten, indem sie nach Erdbeben seismische Wellen messen. Diese Wellen durchlaufen die verschiedenen Schichten des Erdinneren: den Kern, den Mantel und die Kruste. Abhängig von der Dichte der verschiedenen Schichten und Bereiche reflektieren und biegen sie sich. Auf der Venus ist diese Methode nicht möglich. Sonden, denen es gelingt, auf der Oberfläche aufzusetzen, überstehen die große Hitze nur kurze Zeit.

Stattdessen stellen die Wissenschaftler Berechnungen aufgrund der Dichte an. Die Venus hat eine etwas geringere Dichte als die Erde. Es wird angenommen, dass sich im Innersten der Venus ein Metallkern mit einem Durchmesser von 3.000 Kilometern befindet. Der Mantel ist ebenfalls etwa 3.000 Kilometern dick, und die Kruste ist mit 50 Kilometern stärker als die äußerste Schale der Erde.

Venus und Erde haben in ihrem Inneren wahrscheinlich einen etwas unterschiedlichen Aufbau, was Auswirkungen auf der Oberfläche zur Folge hat. (Bild: A. Mößmer)

Anders als die Erde besitzt die Venus keinen Geodynamo. Das heißt, im Venuskern gibt es keine Strömungen von flüssigen Metallen, die ein nennenswertes Magnetfeld erzeugen. Ein möglicher Grund dafür ist die langsame Rotation des Planeten. Die Schwester der Erde hat folglich auch keine schützende Megnetosphäre, die den Sonnenwind und die kosmische Strahlung ablenken würde.

Die beiden Schwesterplaneten waren sich kurz nach ihrer Geburt wahrscheinlich bedeutend ähnlicher als heute. In der Folgezeit entwickelten sie sich aber unterschiedlich. Was war der Grund dafür?

Einigen Sonden der Sowjetunion gelang eine erfolgreiche Landung auf der Venusoberfläche. Wegen der hohen Temperaturen blieben sie jedoch nicht lange funktionsfähig.

SondeDatum der LandungÜberlebensdauer auf der Oberfläche
Venera 715. Dezember 197023 Min.
Venera 822. Juli 197250 Min., 11 Sek.
Venera 922 Oktober 197553 Min.
Venera 1025. Oktober 197565 Min.
Venera 131. März 1982127 Min.
Venera 145. März 198257 Min.
Vega 111. Juni 198556 Min.
Vega 215. Juni 198557 Min.

Venus (Teil 1): Die missratene Schwester der Erde

Seit Menschen den Himmel beobachten, kennt man allerdings ein Gestirn, das der Heimatwelt der Menschheit – in kosmischen Verhältnissen – nicht nur sehr nahe ist, sondern ihr auch so sehr ähnelt, dass man es als Schwester der Erde bezeichnen kann: die Venus. Beide Planeten haben ungefähr die gleiche Größe, Dichte, Masse und Anziehungskraft. Noch dazu ist die Umlaufbahn der Venus der Erde von allen Planeten am nächsten. Während die durchschnittliche Entfernung zwischen Erde und Mars bei 225 Millionen Kilometern liegt, beträgt sie zum zweiten Planeten des Sonnensystems nur 108 Millionen Kilometer.

Beobachtungen der Venus mit Teleskopen bestätigten eine dichte Lufthülle, die keinen Blick auf die Oberfläche zulässt. Dies gab schon früh Anlass zu Spekulationen über die Verhältnisse auf der Oberfläche. Möglicherweise lag unter der Wolkendecke eine von Leben wimmelnde Dschungelwelt. Schon die ersten Spektralanalysen zeigten jedoch, dass Wasserdampf in der Venusatmosphäre überhaupt keine Rolle spielt, und auch Sauerstoff ließ sich nicht nachweisen. Stattdessen zeigte die Analyse für Kohlensäure typische Linien.

Venus und Erde im Vergleich
Venus Erde
Durchmesser am Äquator 12103,6 km 12756,32 km
Mittlere Dichte 5,243 g/cm³ 5,513 g/cm³
Masse (Erde = 1) 0,815 1
Gravitation an der Oberfläche 8,87 m/s² 9,80665 m/s²
Atmosphäre (Hauptbestandteile) 96,5 % Kohlenstoffdioxid, 3,5 % Stickstoff 78 % Stickstoff, 20,95 % Sauerstoff

Dies hinderte jedoch Science-Fiction-Autoren nicht daran, sich eine andere Welt auszumalen. Hans Dominik beschrieb 1926 in einem Roman die Venus als einen Planeten mit erdähnlicher Flora und Fauna. Edgar Rice Burroughs, der in seiner Barsoom-Serie bereits mehrere Romane über den Mars geschrieben hatte, verfasste von 1932 bis 1942 mehrere Geschichten, die den Schwesterplaneten der Erde zum Thema hatten. In seinem Roman Perelandra beschrieb C. S. Lewis, der später durch Die Chroniken von Narnia berühmt wurde, 1943 die Venus als eine Art Garten Eden mit Inseln aus schwimmender Vegetation.

Dieses Bild der Venus wurde von Mariner 10 aufgenommen. Die Sonde flog am 5. Februar 1974 an dem Planeten vorbei. (Bild: NASA)

Stanislav Lem gehörte zu den Ersten, die den Nachbarplaneten der Erde als eine Welt mit extremen Oberflächenbedingungen darstellte. In seinem Roman Die Astronauten von 1951 (erschienen auch unter dem Titel Der Planet des Todes) schilderte er die Venus als einen verwüsteten Ort. Astronauten von der Erde landen auf dem Nachbargestirn und entdecken die Überreste einer ausgestorbenen hochtechnologischen Zivilisation, die sich selbst und ihre Umwelt zerstörten.

Extreme Verhältnisse

Heute wissen wir mehr über die tatsächlichen Bedingungen auf dem Nachbarplaneten – und sie sind alles andere als lebensfreundlich. Anstatt aus Wassertröpfchen, wie auf der Erde, bestehen die obersten Wolken der Venus aus Schwefelsäure. Orkane mit einer Geschwindigkeit von 360 Stundenkilometern treiben die Wolken in ungefähr vier Tagen um den Globus. Nicht weniger lebensfeindlich ist es weiter unten in der dichten, zum größten Teil aus Kohlendioxid bestehenden Atmosphäre. Auf der Oberfläche ist die Windgeschwindigkeit zwar nicht so hoch, aber die Temperatur von 470 Grad Celsius würde jedes Wasser sofort zum Verdunsten bringen – falls es welches gäbe. Sogar Blei schmilzt bei dieser Temperatur. Der atmosphärische Druck ist ungefähr so hoch wie 1,6 Kilometer unter Wasser auf der Erde. Die einwandfreie Sichtweite beträgt nur etwa 100 Meter.

Eine weitere Besonderheit der Venus ist auch die Drehrichtung, die von Ost nach West verläuft und damit anders erfolgt als bei den übrigen Planeten – mit Ausnahme des Uranus. Das heißt, dass die Sonne im Westen auf- und im Osten untergeht. Die Rotation vollzieht sich jedoch sehr langsam. Sie nimmt relativ zur Sonne fast 117 Erdtage in Anspruch. Dadurch dauert ein Venustag länger als ein halbes Venusjahr, das 224,7 Erdtage lang ist. Diese langsame Rotation hat wahrscheinlich auch zur Folge, dass die Venus ein sehr schwaches Magnetfeld besitzt.

Große Unterschiede zur Erde weist auch die Venusoberfläche auf. Auf unserem Nachbarplaneten gibt es Gebiete mit bis zu 7000 zusammengeballten Schildvulkanen sowie massive einzelne Vulkangebilde mit einem Durchmesser von bis zu 1000 Kilometern (zum Vergleich: Auf der Erde befinden sich Vulkane vor allem entlang der Ränder der Kontinentalplatten, und einer der größten Vulkane der Erde, der Mauna Loa auf Hawaii, hat einen Durchmesser von etwa 120 Kilometern). Ungleich der Planeten Merkur und Mars – oder auch des Mondes –, die kaum geologische Veränderungen aufweisen, ist die Oberfläche der Venus relativ neu. Sie zeigt im Durchschnitt nur ein Alter von 200 bis 700 Millionen Jahren. Darauf weisen auch Meteoritenkrater hin, die allesamt vergleichsweise jüngeren Datums sind. Die gesamte Oberfläche scheint durch vulkanische Aktivitäten erneuert worden zu sein.

Wer sich näher mit der Venus beschäftigen möchte, dem kann man das Buch des Astronomen Patrick Moore empfehlen. Die hier abgebildete Paperback-Ausgabe erschien 2005 bei Cassell Illustrated. (Titelbild: JPL/MIT/USGS/Galaxy)

Cheops: Ein neuer Blick auf ferne Welten

Der Sattellit Cheops in der Umlaufbahn um die Erde
Künstlerische Darstellung des Cheops-Satelliten in der Erdumlaufbahn. Die Abdeckung des Teleskops ist bereits geöffnet. (Bild: ESA / ATG medialab)

Cheops steht für „CHaracterising ExOPlanet Satellite“, zu Deutsch etwa: Satellit für die Charakterisierung von Exoplaneten. Es handelt sich dabei um das erste von drei Teleskopen, die der näheren Erforschung von Exoplaneten dienen sollen. Ihre Aufgabe besteht nicht darin, neue Trabanten anderer Sterne zu entdecken, sondern einige der bekannten näher zu studieren.

Ausgewählte Objekte

Als Studienobjekte wählte man mehrere Hundert Sterne, in deren Orbit bereits früher Planeten ausgemacht wurden. Dabei handelt es sich um Trabanten, die etwa so groß wie die Erde sind, bis zu Giganten in Neptungröße. Präzise Messungen sollen genauere Daten hinsichtlich der Planetengrößen liefern. Zusammen mit unabhängigen Informationen über die Planetenmassen können Wissenschaftler auf diese Weise ihre Dichte bestimmen und diese extrasolaren Welten in einem ersten Schritt charakterisieren. Die Dichte eines Planeten liefert wichtige Hinweise auf seine Zusammensetzung und Struktur und weist beispielsweise darauf hin, ob er überwiegend felsig oder gasförmig ist oder möglicherweise bedeutende Ozeane beherbergt. Da die Planeten nicht direkt beobachtet werden können, misst der Satellit die winzigen Helligkeitsänderungen, die aufgrund des Planetentransits vor der Sternscheibe erfolgen.

Ein Stern mit der Umlaufbahn eines Planeten.
Cheops kann die Exoplaneten nicht direkt sehen. Stattdessen misst das Teleskop die Lichtschwankung, die dadurch entsteht, dass ein Planet vor der Scheibe des Sterns vorbeizieht. (Bild: A. Mößmer)

Cheops zählt zu den kleinen Missionen der S-Klasse im Wissenschaftsprogramm der ESA. Das Projekt ist eine Partnerschaft zwischen der ESA und der Schweiz. An dem Konsortium beteiligt sind wissenschaftliche Einrichtungen in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich, Portugal, der Schweiz, Spanien, Schweden, Ungarn und dem Vereinigten Königreich.

Der Satellit wurde von einer Soyuz-Fregat-Rakete in eine Höhe von etwa 700 km getragen. Mit an Bord befanden sich ein italienischer COSMO-Skymed-Satellit sowie drei Kleinsatelliten, sogenannte Cubesats.

Die veränderte Zukunft: Zeitparadoxa in Science-Fiction

Von einer Zeitreise handelte bereits die 1889 von Mark Twain veröffentlichte Roman Ein Yankee am Hofe des König Artus (A Connecticut Yankee in King Arthur’s Court). Der Protagonist wacht nach einem Schlag auf den Kopf im Jahr 528 am Hofe König Arthurs auf und erlebt dort allerlei Abenteuer. Am Ende der Geschichte versetzt ihn der Zauberer Merlin in einen Tiefschlaf, aus dem er erst 1300 Jahre später erwacht. Obwohl der Held des Romans die Vergangenheit beeinflusste, hat dies keine Auswirkungen auf die Gegenwart. Der Grund dafür: Mark Twain hatte schlicht und einfach keine Zeitreisegeschichte im Sinn, sondern eine Satire.

Ein gezieltes Reisen in der Zeit ist in der Geschichte Die Zeitmaschine (The Time Machine) von H. G. Wells möglich. Da hier die Zeitreise mit Hilfe einer technischen Erfindung möglich ist, zählt der 1895 erschienene Roman von H. G. Wells zur klassischen Science-Fiction und ist zu Recht einer der bedeutendsten frühen Werke des Genres. Die Zeitmaschine wurde mehrfach verfilmt.

Zeitparadoxa

Abgesehen davon, dass die Zeit keine räumliche Dimension ist und deswegen nicht einfach eine Parallele zur Fortbewegung von Punkt zu Punkt gezogen werden kann, ist mit der Zeitreise ein weiteres Problem verbunden: Sie könnte einen unlösbaren Widerspruch auslösen. Würde man beispielsweise in die Vergangenheit reisen, um Hitler daran zu hindern, die Welt mit Krieg zu überziehen, gäbe es später keinen Grund, in die Vergangenheit zu reisen, um ihn an seinen Missetaten zu hindern. Ebenso könnte man die eigene Existenz auslöschen, indem man in die Vergangenheit zurückkehrt, um die eigene Geburt zu verhindern. Aber wenn man nie geboren worden wäre, gäbe es auch niemanden, der in die Vergangenheit reisen und seine Eltern um ihre freudigen Erwartungen bringen würde.

Ein Yankee bei Aristoteles

Um ein solches Zeitparadoxon geht es in Ein Yankee bei Aristoteles (Aristotle and the Gun)von L. Sprague de Camp. Die Kurzgeschichte wurde erstmals 1958 in der Zeitschrift Astounding Science-Fiction veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung erschien 1980 in einem Taschenbuch mit Erzählungen des Autors im Wilhelm Heyne Verlag.

Der Held der Geschichte ist Sherman Weaver, der sich mit Hilfe einer Maschine in die Zeit Philipps II. von Mazedonien katapultieren lässt. Dort möchte er Aristoteles treffen, der damals Erzieher Alexanders (später „der Große“ genannt) war. Weaver glaubt, dass das mangelnde Interesse des einflussreichen antiken Philosophen am Experiment den wissenschaftlichen Fortschritt während eines Großteils der nachfolgenden Geschichte verzögert hat, und versucht, den Gelehrten in die Richtung zu lenken, die er für richtig hält. Dadurch möchte er den Lauf der Geschichte so verändern, dass sich bereits Hunderte von Jahren vor dem zwanzigsten Jahrhundert die experimentelle Wissenschaft durchsetzt und die Zeit, aus der er kommt, von einer Art Superwissenschaft beherrscht wird.

Aber es klappt nicht alles so, wie er es geplant hatte, und als Weaver in seine eigene Zeit zurückkommt, muss er feststellen, dass sein Einfluss auf Aristoteles ganz andere geschichtliche Folgen nach sich zog, als er geplant hatte.

Cover des Buches "Ein Yankee bei Aristoteles
Das Buch „Ein Yankee bei Aristoteles“ erschien 1980 im Wilhelm Heyne Verlag. Es enthält sieben Science-Fiction-Geschichten von L. Sprague de Camp, darunter zwei Zeitreisegeschichten. (Bild: Karel Thole / Wilhelm Heyne Verlag)

Saurierjagd im Mesozoikum

Von Zeitreisen handelt auch die Kurzgeschichte Saurierjagd im Mesozoikum (A Gun for Dinosaur) von L. Sprague de Camp aus dem Jahr 1956. Die deutsche Übersetzung erschien im gleichen Taschenbuch aus dem Wilhelm Heyne Verlag wie die oben erwähnte Zeitreisegeschichte.

Da in der Gegenwart die größeren Wildtiere außerhalb der Parks bereits ausgerottet sind, bietet ein Unternehmen schießwütigen Großwildjägern Reisen in die ferne Vergangenheit an. Um Zeitparadoxa zu vermeiden, müssen diese Jagdausflüge weiter als das Jahr 100000 v. Chr. zurückgehen, da bei diesem großen zeitlichen Abstand die Handlungen der Expeditionsteilnehmer „mehr oder wenig im Strom der Zeit verloren“ gehen. In der Geschichte reisen die Trophäenjäger sogar 85 Millionen Jahre zurück – in die Zeit der Sauriere. Aber der Gefahrenfaktor Mensch spielt auch in dieser Geschichte eine herausragende Rolle.

L. Sprague de Camp (1907 – 2000) war ein sehr produktiver Autor. Er schrieb in seiner 50-jährigen Schaffenszeit über 100 Bücher. Dabei handelte es sich nicht nur um Romane, sondern auch um Sachbücher. Vielen ist er als Herausgeber und Autor von Conan-Geschichten bekannt. Sein bedeutendstes Werk ist wahrscheinlich Lest Darkness Fall von 1941. Eine deutsche Übersetzung und Bearbeitung erschien unter den Titeln Vorgriff auf die Vergangenheit und Das Mittelalter findet nicht statt.In diesem Zeitreise-Roman wird der Protagonist durch ein Gewitter in das Rom des Jahres 535 n. Chr. zurückgeschleudert. Mit Hilfe seines Wissens beeinflusst er die Vergangenheit und verändert so die Zukunft.
Über seine Tätigkeit schrieb L. Sprague de Camp: „Ich schätze meine Leser, weil sie es mir ermöglichen, ohne Arbeit zu leben. Ich tue nur, was ich gerne tue – Schreiben – und die Leute sind so vorschnell, dass sie mich dafür bezahlen.“

Bild der drei Autoren Robert A. Heinlein, L Sprague de Camp und Isaac Asimov
Drei Giganten der Science-Fiction: Robert A. Heinlein (links), L. Sprague de Camp (Mitte) und Isaac Asimov (rechts) (Bild: gemeinfrei)

Fantastische Pasquinaden: Satire in der Science-Fiction

Ray Bradbury definierte Science-Fiction als „jede Idee, die im Kopf vorkommt und noch nicht existiert, aber bald existieren wird, und alles für jeden verändern wird, und nichts wird jemals wieder so sein wie zuvor.“ Science-Fiction kann aber auch mit Spott oder Übertreibungen bestehende Verhältnisse ins Visier nehmen. Die fantastischen Erzählungen eignen sich besonders gut für diese Art von Kritik, da die Handlungen meist in der Zukunft, in anderen Realitäten oder Welten spielen. Offizielle oder inoffizielle Zensoren kann man – falls sie die versteckte Kritik überhaupt wahrnehmen – damit beschwichtigen, dass das alles nicht die Wirklichkeit betrifft und ganz anders gemeint war.

Satirische Proto-Science-Fiction

In fantastischen Geschichten versteckte Satire taucht schon sehr früh auf. Die von dem antiken Satiriker Lukian von Samosata (ca. 120 – ca. 180/200) verfasste Erzählung Wahre Geschichten handelt von einer Reise zum Mond und berichtet über den Krieg zwischen dem Mondkönig und dem Sonnenkönig um den Morgenstern. Was Lukian damit beabsichtigte, waren weniger Spekulationen über Verhältnisse auf anderen Welten. Er zielte stattdessen auf die Mythen und die Geschichtsschreibung seiner Zeit ab.

Auch der französische Aufklärer Voltaire (1694 – 1778) berichtet in seiner Erzählung Micromégas von den Bewohnern anderer Planeten, die der Erde einen Besuch abstatten. Die Absicht dieser Geschichte ist aber ebenfalls nicht, von Sirius- und Saturn-Bewohnern zu erzählen. Voltaire wollte damit vielmehr die Verhältnisse auf der Erde des 18. Jahrhunderts aus der Sicht außerirdischer Besucher beleuchten und kritisieren.

Nur selten kommt der irische Schriftsteller und Geistliche Jonathan Swift (1667 – 1745) in den Sinn, wenn man von frühen Science-Fiction-Autoren spricht. Sein bekanntestes Werk, Gullivers Reisen (Gulliver‘s Travels), ist aber ein typisches Beispiel der „fantastischen Reise“, die als Subgenre der Science-Fiction gesehen werden kann. Gulliver, der Held des Romans, kommt auf die Insel Liliput, deren Bewohner nur sechs Zoll groß sind und ein normaler Mensch als Riese gilt. Später landet er auf Brobdingnag, wo das Gras so hoch wie Bäume ist und die erwachsenen Einwohner bis zu 70 Meter in die Höhe ragen. Weitere Reisen führen Gulliver unter anderem zu der schwebenden Gelehrteninsel Laputa. Jonathan Swift spielt in Gullivers Reisen auf das Verhalten der Reichen und Mächtigen gegenüber den Armen und Schwachen oder die Rolle der Wissenschaft an. Diese Satire wird – ohne das nötige Hintergrundwissen – heute oft nicht mehr verstanden. Deswegen erscheint Gullivers Reisen manchmal sogar als Kinderbuch. Aber Jonathan Swifts Zeitgenossen wussten, um was sich seine Erzählung wirklich drehte.

Gulliver bei den Liliputanern. Die satirische Geschichte wurde in dieser Grafik aus dem 19. Jahrhundert noch einmal zu satirischen Zwecken verwendet: Gulliver repräsentiert Uncle Sam, und die kleinen Menschen sind Politiker der Demokratischen Partei. (Bild: New York Public Library)

Das Universum und der ganze Rest

Als ein Beispiel moderner satirischer Science-Fiction kann Per Anhalter durch die Galaxis (The Hitchhiker’s Guide to the Galaxy) von Douglas Adams gelten. Mit der Geschichte über die Beziehung zwischen Mäusen und Menschen verspottet er den Glauben der Menschheit an ihre eigene Brillanz. Er macht sich über religiöse und philosophische Debatten lustig, nimmt die Bürokratie aufs Korn und bietet mit dem Lob der Vogon-Poesie eine hervorragende Parodie der Literatur-Kritik.

Kurt Vonneguts Katzenwiege (Cat‘s Cradle) ist ein weiteres Buch, in dem es von Satire wimmelt. Ein Beispiel dafür ist die Religion des Bokononismus, dessen Gründer offen zugibt, dass alles nur erfunden ist. Aber wer trotzdem glaubt, kann mit diesen harmlosen Unwahrheiten ein gesundes und glückliches Leben führen.

Satirische Elemente tauchen selbst dort auf, wo man es weniger erwarten würde, wie etwa in den Heften der Perry-Rhodan-Serie. Ein Beispiel ist die Darstellung des freischaffenden Münchener Schriftstellers Ernst Ellert und seiner ebenso von einem „schmalen Geldbeutel“ lebenden Künstlerfreunde in dem von Clark Darlton verfassten Perry-Rhodan-Roman Das Mutanten-Korp, die auf die oft prekäre Situation von Autoren und Künstlern anspielt(Heft Nr. 4, Silberband Nr. 1). Auch der russische Präsident in Melodie des Untergangs (Perry Rhodan Neo Nr. 132) von Susan Schwartz trägt unverkennbar Züge eines bestimmten zeitgenössischen autoritären Herrschers.

Science-Fiction mag zwar meist in der Zukunft spielen. Um erfolgreich zu sein, muss sie aber für die Leser (und Zuschauer) der Gegenwart relevant sein – und diesem Zweck dient auch die Satire.