Die Venusbewohner, meinte der französische Gelehrte Bernard le Bovier de Fontenelle (1657 – 1757), „ähneln den Mooren von Grenada: ein kleines schwarzes Volk, von der Sonne verbrannt, voll Geist und Feuer, immer verliebt, Verse schmiedend, die Musik liebend, immerzu Feste, Tänze und Turniere erfindend“ (Entretiens sur la pluralité des mondes, Seite 108 in der Ausgabe von 1766).
Bevor man wirklich über die Verhältnisse auf dem zweiten des Planeten des Sonnensystems Bescheid wusste, spekulierten spekulierten Gelehrte, Astronomen und Verfasser fantastischer Geschichten über das Leben auf dem Nachbarplaneten der Erde. Heute weiß man, dass zumindest auf der glühend heißen Oberfläche kein Leben existiert. Aber war das immer so?
Die Venus entstand vor etwa 4,5 Milliarden Jahren – zur gleichen Zeit wie die Erde. Die Sonne schien damals noch schwächer, und die Venus entwickelte sich in der Frühzeit wahrscheinlich wie ihre Schwester, die Erde. Auf der Erde sind die ersten nachweisbaren Mikroorganismen 3,465 Milliarden Jahre alt. Aber wahrscheinlich erschien das Leben auf dem blauen Planeten noch früher, nämlich kurz nachdem sich die Ozeane vor 4,4 Milliarden Jahren gebildet hatten. Es ist anzunehmen, dass der zweite Planet des Sonnensystems in seiner Frühzeit ebenfalls Ozeane besaß – und möglicherweise auch Leben.
Deuterium und Wasserstoff
Das einstige Vorhandensein von Wasser auf der Venus ist nicht reine Spekulation. Es gibt sogar einen Hinweis dafür. 1978 erreichte die NASA-Sonde Pioneer-Venus 2 den Nachbarplaneten der Erde und tauchte gemeinsam mit drei Tochtersonden in die Lufthülle ein, um die Atmosphäre zu analysieren. Eines der überraschenden Ergebnisse war, dass das Verhältnis von Deuterium- zu Wasserstoffatomen 100-mal größer war als auf der Erde. Zur Erinnerung: Während ein Wasserstoffatom nur ein Proton hat, besteht der Deuteriumkern aus einem Proton und einem Neutron. Deuterium wird deshalb auch „Schwerer Wasserstoff“ genannt. Auf der Erde kommen auf jedes Deuteriumatom ungefähr 10000 Wasserstoffatome. Man kann davon ausgehen, dass auf der Venus ursprünglich diese Atome im gleichen Verhältnis vorhanden waren. Aber von dem „leichteren“ Wasserstoff verschwand mehr in den Weltraum als von dem „schwereren“ Deuterium. Deshalb kommen heute auf ein Deuteriumatom 100 Wasserstoffatome.
Langsamer oder plötzlicher Wandel
Die Venus verlor wahrscheinlich 99,9 Prozent des Wassers, das sich einst auf dem Planeten befand. Wie konnte das geschehen?
Eines der Modelle geht von einem graduellen Wandel aus. Da sich der zweite Planet näher an der Sonne befindet, erwärmt er sich stärker und mehr Wasser gelangt in die Atmosphäre. Mit dem Verdunsten des Wassers verschwindet das Schmiermittel für die Plattentektonik, und damit kommt auch ein Mechanismus zu Stillstand, der Kohlenstoff von der Oberfläche ins Planeteninnere transportierte. Die Folge ist ein Treibhauseffekt, der den Planeten in eine heiße, ausgetrocknete, lebensfeindliche Welt verwandelt.

„Habitable Zone“ oder „bewohnbare Zone“, im Englischen auch „Goldilock Zone“ genannt, bezeichnet den Bereich, in dem sich die Umlaufbahn eines Planeten befinden muss, damit Wasser dauerhaft im flüssigen Zustand bleiben kann (im Bild blau eingzeichnet). Flüssiges Wasser wird als Voraussetzung für die Existenz von Leben angesehen. Über die Grenzen dieser habitablen Zone sind sich die Wissenschaftler nicht einig. Die Venus scheint sich am inneren Rand oder außerhalb des inneren Randes zu befinden. Dies muss jedoch nicht immer so gewesen sein, da die Sonne anfangs schwächer war und deshalb Wasser bei einem geringeren Abstand zum Zentralgestirn flüssig bleiben konnte. Der Mars ist dagegen jenseits der bewohnbaren Zone. Wasser würde auf der Oberfläche sofort gefrieren. (Bild: A. Mößmer)
Manche Wissenschaftler sind jedoch der Meinung, dass die Venus Milliarden von Jahren lang Wasser behielt und möglicherweise ebenso lange Leben beherbergte. Nach diesem Modell kam es erst vor etwa 700 Millionen Jahren zu einem Ereignis, das die Oberfläche veränderte und zu einem Treibhauseffekt führte. Im September 2019 präsentierten Michael Way und Anthony Del Genio vom NASA Goddard Institute for Space Studies (GISS) anlässlich eines Treffens von Planetologen in der Schweiz die Ergebnisse von fünf Simulationen. In den fünf Szenarien wurden unterschiedliche Tiefen der Venusozeane angenommen. In allen Fällen blieb die Temperatur drei Milliarden Jahre lang im Bereich von 20 bis 50 Grad Celsius – genügend Zeit für die Entwicklung von Leben.
In luftiger Höhe
Auf der Oberfläche mögen alle Spuren von Leben unter den Lavamassen begraben sein. Aber vielleicht existieren noch Überreste einst blühenden Lebens unter weniger extremen Bedingungen weiter oben in der Atmosphäre. Die Zeitschrift Astrobiology veröffentlichte im September 1918 eine Studie, die sich mit dieser Möglichkeit beschäftigt. In einer Höhe von 47,5 – 50,5 Kilometern entspricht der Luftdruck etwa dem auf der Erdoberfläche, und die Temperatur beträgt ungefähr 60 Grad Celsius, was für manche extremophile Mikroorganismen durchaus eine angenehme Umgebung sein könnte.
Tatsächlich beobachtete man bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Venus-Atmosphäre dunkle Flecken, die sich im Laufe der Zeit in Form, Größe und Position veränderten, aber niemals ganz verschwanden. Heute glaubt man, dass sie hauptsächlich aus Partikeln bestehen. Diese Teilchen kommen die der Größe irdischen Bakterien sehr nahe. Darüber hinaus stimmen die Lichtspektren der venusianischen Partikel nach Meinung mancher Forscher eng mit den Spektren bekannter Bakterien überein.
Allerdings sollte man solche Spekulationen mit Vorsicht genießen. Noch in den 1960er-Jahren meinten manche Forscher, dass dunkle Gebiete auf dem Mars, die mit dem Wechsel der Jahreszeiten ihre Farbtönung änderten, von Pflanzenwuchs zeugten. Klarheit über Leben in den Venuswolken kann man nur durch eine genauere Analyse der Atmosphäre erlangen.
Das Konzept einer Sonde, die genau diese Aufgabe erfüllen soll, haben die Firmen Northrop Grumman und L‘Garde entwickelt. Das teilweise aufblasbare Flugobjekt heißt „Venus Atmospheric Maneuverable Platform“ („Venus Atmosphärische Manövrierbare Plattform“, kurz VAMP). Es hat die Form eines Deltaflügels und verfügt über elektrisch angetriebene Propeller. In der vorgesehenen Höhe kann VAMP längere Zeit als die bisherigen Sonden überleben, die Atmosphäre analysieren und die Daten zur Erde funken.
Sollte die VAMP-Mission wirklich durchgeführt werden, könnte sie zur Entdeckung von außerirdischen Mikroben führen, oder die Hoffnung auf Leben auf dem Schwesterplaneten der Erde endgültig begraben.